In langjährigen Beziehungen schleicht sich oft ganz unbemerkt ein fieses Auseinanderleben ein. Der Alltag frisst die Paarbeziehung regelrecht auf, es gibt den Job, die Kinder, die Eltern, die Schwiegereltern, Freunde, Hobbys, Verpflichtungen ohne Ende – und irgendwann keine Zeit mehr für die Paarbeziehung. Der Partner, die Partnerin ist ja einfach da. Plötzlich nimmt man jedoch wahr, dass aus Nähe Distanz geworden ist, aus Verständnis Genervtheit, aus Respekt Kritik. Und dann folgt die Frage: Liebe ich meinen Mann, liebe ich meine Frau überhaupt noch?
In die einst so glückliche Partnerschaft haben sich Desinteresse und Belanglosigkeiten eingeschlichen. Manchmal fühlen Sie sich sogar einsam, selbst wenn der Partner, die Partnerin neben Ihnen sitzt. Irgendwann taucht dann die Frage auf: Will ich das überhaupt noch? War es das? Sollen sich die nächsten 20 Jahre auch noch so leer, so distanziert anfühlen? «Wir leben seit Jahren wie Bruder und Schwester», diese Aussage höre ich häufig von Paaren, die sich in der Alltagsbelastung verloren haben. «Ich möchte das Kribbeln wieder fühlen», oder «ich bin die ständigen Alltagsreibereien satt. Schönes hingegen fehlt seit langem». Oft folgt dann die Frage: «Kann man das überhaupt noch retten? Oder sollen/müssen wir uns trennen?»
Was heisst das, Auseinanderleben?
Spätestens dann, besser aber früher, lohnt es sich, genau hinzuschauen. Je früher und genauer erkannt wird, welche Dynamik und welche unterdrückten Gefühle und Bedürfnisse zum Auseinanderleben geführt haben, desto besser und einfacher kann die Dynamik unterbrochen werden. Hilfreich ist deshalb, überhaupt zu erkennen, wie sich Auseinanderleben anfühlt. Hier einige Hinweise:
- Sie fühlen sich von Ihrem Partner, Ihrer Partnerin nicht mehr wahrgenommen und nicht mehr verstanden.
- Auf Ihre Äusserungen und Bedürfnisse wird nicht eingegangen.
- Es kommt nie zum Streit, weil beide nicht mehr die Kraft oder den Mut haben, schwierige Themen anzusprechen.
- Es kommt sehr häufig zu Streit, die Ursache bleibt verborgen, der Streit bewegt sich in einer Endlosschlaufe.
- Nähe wird vermieden.
- Es gibt kein Lob, keine Komplimente und keine positive Bestärkung mehr.
- Sie fühlen sich ständig als Opfer oder als Täter.
- Ihr Partner, Ihre Partnerin hört gar nicht mehr richtig zu, da er denkt, eh zu wissen, was kommt.
- Kritik hat keinen Platz und führt sofort zum Streit ohne Lösung.
- Es fehlt die Lust zum Gespräch, Sie schweigen sich an, haben sich nichts zu sagen.
- Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche werden nicht mehr geäussert aus Angst vor Zurückweisung.
- Es gibt praktisch keine schönen Erlebnisse und gemeinsame Zeiten mehr.
Natürlich gibt es In jeder Beziehung Phasen, wo man die Verbindung zum Partner, intensiver oder weniger intensiv spürt. Es ist also normal, wenn der eine oder andere obige Punkt auf Sie zutrifft. Doch wenn viele Punkte auf Ihre Beziehung zutreffen, ist es Zeit, zu handeln und der Ursache für das Auseinanderleben auf den Grund zu gehen, die unterdrücken Gefühle und Bedürfnisse anzuschauen.
Diese Fragen können Ihnen weiterhelfen:
- Wieviel Paarzeit finden Sie im Alltag? Genügt Ihnen diese Paarzeit? Paarzeit: Das ist Zeit ganz ohne Kinder, ohne Alltagspflichten, einfach nur Sie zwei, die Zeit füreinander haben und am Gegenüber interessiert sind.
- Kennen Sie Ihre Bedürfnisse und die Ihres Partners, Ihrer Partnerin?
- Wissen Sie, welche Ihrer Bedürfnisse im Moment zu kurz kommen?
- Was haben Sie, was hat Ihr Partner, Ihre Partnerin schon ausprobiert, um auf diese Bedürfnisse einzugehen?
- Wie offen und ehrlich können Sie mit Ihrem Partner reden? Was würde Ihnen helfen, offen zu sein?
- Bei welchen Themen wird das Gespräch schwierig? Welche Emotionen, Gedanken begleiten diese schwierigen Themen?
Weihen Sie Ihren Partner, Ihre Partnerin in Ihre Gedanken ein: Machen Sie sich als Mensch mit allen Ecken und Kanten sichtbar. Sprechen Sie über Ihre Wünsche und Ziele und Träumereien im Leben! Ich staune immer wieder, wieviel in langjährigen Beziehungen still vorausgesetzt wird – und welche Themen ein gut moderiertes Gespräch zwischen Partnern lösen kann.