Als Paar- und Familienberaterin sehe und höre ich täglich, wie Meinungsverschiedenheiten zu Konflikten führen. Dies ist der Fall, wenn die Bedürfnisse und Ziele des Partners, der Partnerin, der Eltern oder Geschwister den eigenen Zielen oder Bedürfnissen im Weg steht. Coronamassnahmen, Maskenpflicht und Impfen: Solche Themen eignen sich bestens, um sich so richtig zu fetzen, weil bei diesen sehr emotionalen Themen sofort die altbekannte Konfliktdynamik anspringt.

Hier ein fiktives Beispiel: Wenn Herr B. sich impft, weil er freier reisen will, Frau B. jedoch findet, das lasse ich mir nicht aufzwingen und Herr B. das zwar anders sieht, sich an der Einstellung von Frau B. aber nicht stört (und umgekehrt), haben die zwei noch keinen Konflikt. Der Konflikt entsteht aber dann, wenn Herr B. seine Frau überzeugen möchte, sich zu impfen, weil das Reisen dann für beide einfacher ist.  Frau B. nimmt dann wahr, dass das Bedürfnis Ihres Mannes ihrem eigenen Bedürfnis im Weg steht. Dies löst Druck und Stress aus: Es geht nun nicht mehr nur um den Auslöser, sondern um eine ganze Palette an altbekannten Gefühlen wie Unsicherheit, Angst, Ärger, Wut, die bereits aus anderen Situationen bekannt ist. «Ja genau, du hast immer Recht und ich bin immer die Dumme» oder «Du könntest wenigstens einmal Rücksicht nehmen, aber das ist ja nicht so dein Ding».

Es geht deshalb im Konfliktfall primär darum, zu verstehen, weshalb ich so reagiere, wie ich reagiere und weshalb mein Gegenüber so reagiert, wie es reagiert. Hier einige Tipps um die Impfdiskussion weg von der Konfliktdynamik hin zur Meinungsverschiedenheit zu führen:

Die eigenen Ursachen erforschen:
Weshalb möchte ich, dass meine Eltern/Kinder/Geschwister sich impfen lassen? Weshalb stört es mich, wenn Sie es nicht tun?

Beim Gegenüber nachfragen:
Weshalb ist es dir wichtig, dass du geimpft bist? Was hält dich davon ab, dich zu impfen? Was befürchtest du?

Gefühle sortieren:
Wie fühle ich mich mit den Aussagen des Gegenübers? Wie fühlen sich meine Eltern/mein Partner etc.?

Wunsch/Bedürfnis formulieren:
Erklären und in der Ich-Form bleiben: Für mich wäre es einfacher wenn…

Respektlosigkeiten vermeiden:
Keine Abwertungen wegen der unterschiedlichen Meinung. Keine Du-Anklagen: Du bist rücksichtslos, du hast immer das Gefühl, du seist im Recht

Akzeptanz:
Ich sehe die Sichtweise des Gegenübers ohne dass ich sie akzeptieren muss. Wenn der Partner/die Partnerin erkennt, dass die eigene Sichtweise wahrgenommen wird, sind Zugeständnisse eher möglich.