Wenn Eltern alt werden

„Manchmal fühlte ich mich einfach zur noch eingezwängt in ein viel zu enges Korsett, ich bekam kaum noch Luft, konnte kaum noch Atmen,“ berichtet Marlene O., 53, dreifache Mutter, alleinerziehend und Tochter einer 83jährigen, zunehmend dementen Mutter. „Dem Anspruch, eine gute Mutter und eine gute Tochter zu sein, es allen recht zu machen, für alle da zu sein. konnte ich nicht mehr genügen. Dazu kam eine zunehmende Wut auf die Mutter, die meine zeitaufwendige Unterstützung weder geschätzt noch anerkannt hat. Plus ein schlechtes Gewissen, weil ich Wut empfand: Welcher gute Tochter wird wütend, es war und ist mir ja bewusst, dass sie nichts dafür kann. Was mich besonders belastete: Sie lehnte jede auswärtige Hilfe ab, weder Spitex noch eine Putzfrau wurden akzeptiert. Einem Gespräch über einen Altersheimeintritt verweigerte sie sich. Verlangte jedoch von mir immer mehr.

Die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz liegt für Frauen bei 84 Jahren, bei Männern bei 80 Jahren. Es kommt der Zeitpunkt, an dem die Mutter, der Vater schwächer wird und Unterstützung braucht. Eine schwierige Zeit, denn ein Rollentausch findet statt. Waren Vater und Mutter lange Zeit die Starken und Bestimmenden, sehen sich nun die Kinder in der Verantwortung, für sie zu sorgen. Oft wird aus liebevoller Unterstützung eine Daueraufgabe mit wachsenden Anforderungen und immer höherem Zeitaufwand werden, der schnell an persönliche Grenzen bringt. Es beginnt eine Spirale aus Pflicht, Liebe und Belastung, die den inneren Moralapostel zum Vorschein bringt: Besonders Frauen – also die Töchter – fühlen sich verpflichtet, zu helfen, ein Pflichtgefühl, das definitiv gesellschaftlich noch verstärkt wird. 8 wichtige Tipps, wenn Eltern älter werden.

  1. Frühzeitig gemeinsam mit den Eltern über das Thema Alter diskutieren: „Wie stellt ihr euch das vor?“
  2. Sie müssen nicht. Überlegen Sie gut, welche Unterstützungsleistungen in ihrem Alltag Platz haben, ohne dass Sie ausbrennen, verlieren Sie sich nicht in den Wünschen anderer.
  3. Die Eltern nicht bevormunden: Manchmal will man auch zu viel helfen. Geistig gesunde Eltern haben das Recht Dinge zu tun, die Sie vielleicht als unvernünftig bewerten.
  4. Den Eltern klarmachen, wo die eigenen Grenzen sind: Manchmal muss man Klartext reden. „Ich kriege das zeitlich nicht mehr hin, auch wenn ich gerne wollte. Ich fühle mich überfordert.“
  5. Ängste ausloten: Wovor haben die Eltern Angst, wenn sie externe Hilfe ablehnen?
  6. Falls es in der Betreuung zu Konflikten und Streit kommt: Notieren Sie sich, in welchen Situationen Unstimmigkeiten entstehen. Erkennen Sie ein Muster? Worum geht es genau? Wenn Sie schwierige Situationen frühzeitig erkennen, lassen Sie sich vielleicht mit einfachen Mitteln verhindern: Den Raum kurz verlassen, durchatmen.
  7. Welche Hilfs- und Unterstützungsangebote existieren in der Umgebung? Was kosten sie? Zahlt ev. die Zusatzversicherung einen Beitrag? Die Betreuung von Angehörigen ist häufig schwer planbar und bringt langfristige Veränderungen mit sich. Ein Gespräch mit einer Fachperson oder Freunden in ähnlichen Situationen hilft Ihnen, die Belastung realistisch einzuschätzen. Die Pro Senectute bietet in allen Kantonen Beratungsdienste an.
  8. Wenn Sie merken, dass sich Wut aufstaut, negative Gefühle dauerhaft da sind: Zögern Sie nicht, sich persönliche Unterstützung zu suchen.